Auf dem Weg zur Meisterin
Bereits mit 21 Jahren kann Anna Steffen aus Muxall eine ansehnliche Karrierebilanz vorlegen. Derzeit bereitet sich die beste Gesellin Ihres Jahrgangs auf ihre Meisterprüfung vor und peilt danach den Betriebswirt des Handwerks an. In diesem Interview, das in der afz - allgemeine fleischer-zeitung erschienen ist, redet sie über ihre Teilnahme am Internationalen Leistungswettbewerb der Fleischerjugend und über ihre Zukunftspläne.
allgemeine fleischer zeitung: Anna, demnächst findet die Endrunde der Leistungswettbewerbe statt. Interessiert Sie das als Bundessiegerin des Vorjahres? Hätten Sie Zeit, dort vorbeizuschauen?
Anna Steffen: Ich finde das Wettbewerbsgeschehen spannend, es interessiert mich wirklich sehr. Aber ich könnte gar nicht kommen, auch wenn das Finale in diesem Jahr in meinem eigenen Bundesland ausgetragen wird. Denn ich bin jetzt gerade auf der Meisterschule in Hamburg, und genau in dieser Zeit fallen die Prüfungen an. Da kann ich natürlich nicht weg.
Sie waren über alle Wettbewerbsstufen dabei, als Innungsbeste, Landessiegerin, dann als Bundessiegerin und zuletzt als Teilnehmerin beim Europawettbewerb. Was haben Sie daraus gelernt?
Steffen: Es ist nicht nur interessant, sondern auch wichtig zu sehen, wie auf hohem Niveau gearbeitet wird. Beim Landeswettbewerb und beim Bundeswettbewerb lief für mich alles nach Plan. Bei den Vorbereitungen auf den internationalen Leistungswettbewerb in Holland habe ich die Aufgaben und die Mitbewerber jedoch ziemlich unterschätzt.
Was heißt unterschätzt?
Steffen: Jedes Land tritt zu dieser Europameisterschaft im Zweier-Team an. Mein Teamkollege und ich haben uns zu wenig mit den nationalen Besonderheiten beschäftigt. Der Wettbewerb fand in Houten in den Niederlanden statt. Und dort waren die Teilstücke, mit denen wir arbeiten mussten, deutlich größer als gewohnt. Die Zuschnitte waren aber gleich. Mit dieser Situation sind wir nicht zurecht gekommen.
Welche Schwierigkeiten gab es?
Steffen: Wir haben ja zu Hause viel geübt, für die küchenfertigen Produkte zum Beispiel. Da saß eigentlich jeder Handgriff. Doch in Houten haben wir eine Rinderkugel bekommen, die gut doppelt so groß war als bei uns üblich. Da habe ich dann leider nicht gut reagiert.
Was wäre richtig gewesen?
Steffen: Ich habe mit dem großen Stück gearbeitet, anstatt es zurechtzuschneiden. Das war ein Fehler. Auch mit dem Geflügel kam ich nicht klar. Zum einen arbeite ich zu Hause nicht mit Geflügel, und außerdem war das Hähnchen im Wettbewerb deutlich anders proportioniert als die, mit denen ich geübt hatte – die Keulen wuchtig und das Brustfilet kümmerlich.
Wie hatten Sie sich vorbereitet?
Steffen: Ich habe zu Hause sehr lange überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, und mich dann für ein gefülltes Hähnchen entschieden: zuerst entbeint, komplett zerlegt und dann die Brust mit Pflaumen gefüllt. Anschließend habe ich das Hähnchen wieder zusammengesetzt. Aber es passte nicht, denn das Brustfilet war zu klein und die Keulen zu groß. Das sah nicht gut aus und wirkte nicht wie geplant. Die Niederländer und die Franzosen konnten erheblich besser mit Geflügel umgehen als wir Deutschen.
Und die Niederländer oder Franzosen haben dann auch gewonnen?
Steffen: Nein. Gewonnen hat das Team, das keine Aufgabe besonders spektakulär gemacht hat, aber es war auch in keiner Aufgabe wirklich schlecht. Die Schweizer haben einfach nur eine durchgehend konstante Leistung gezeigt und damit schließlich gesiegt.
Wie schnitt das deutsche Team ab?
Steffen: Ganz schlecht, gefühlt den letzten Platz. Nein, nicht ganz. Tatsächlich sind wir in der Teamwertung fünfte von sechs geworden. Aber es war das erste Mal, dass ich so auf die Nase gefallen bin bei einem Wettbewerb.
Was hätten Sie im Nachhinein besser gemacht?
Steffen: Wir haben uns zweimal zum Üben in Bayern mit einem Meister getroffen, einmal ein gutes halbes Jahr vor dem Wettbewerb und noch einmal einen Monat vorher. Unser Coach war selbst vor 20 Jahren Europameister. Mein Teamkollege in der Nationalmannschaft stammt aus Bayern. Und da ist Schleswig-Holstein leider viel zu weit entfernt, um intensiv miteinander trainieren zu können. Es hätte mich sicher motiviert, noch mehr zu üben, wenn uns gesagt worden wäre, dass wir mit unserer Leistung noch nicht gut genug sind.
Sie sind eine Meistertochter, konnten im elterlichen Betrieb üben so oft Sie wollten. Ist das ein Vorteil?
Steffen: Mein Vater hat mich immer machen lassen. Ich konnte auch immer üben, und er hat mir alle Materialien zur Verfügung gestellt. Aber ich denke, wenn jemand ehrgeizig ist und wirklich am Wettbewerb teilnehmen will, wird er auch jede Unterstützung seines Betriebes bekommen.
Wie haben Sie trainiert?
Steffen: Ich habe zwei Wochen lang in unserer Filiale gearbeitet. Da ist es ruhiger. Am meisten habe ich mich mit den Pasteten beschäftigt. Da hat es auch am längsten gedauert, bis ich mich entschieden habe, was ich machen werde. Es ist dann die streichfähige Leberpastete im Teigmantel geworden, mit einem schönen Schnittbild. Drei bis vier Mal habe ich geübt und jedes Mal gleich 15 Pasteten in einem Rutsch hergestellt. Allein durch das Wiederholen sitzen sämtliche Handgriffe besser. Wenn ich immer nur eine Pastete gemacht hätte, hätte ich eine Stunde dafür gebraucht.
Und nun hängt die Urkunde neben den anderen Auszeichnungen im Laden?
Steffen: Wir haben drei Läden. Da haben wir die Urkunde nicht aufgehängt, weil ich selbst nicht in den Geschäften stehe. Wir hatten sie aber im Verkaufswagen, als ich dort gearbeitet habe. Und die Kunden sprachen mich auch darauf an und fragten nach. Die Antworten mussten schon von mir selbst kommen, das können andere nicht. Die Leute wollten zum Beispiel wissen, was wir dort gemacht haben, welchen Platz ich erreicht habe und ob ich das einzige Mädchen auf dem Wettbewerb war.
Haben Sie nun genug von beruflichen Wettkämpfen?
Steffen: Prinzipiell finde ich Wettbewerbe sehr gut. Sie spornen an. Deshalb werde ich künftig auch bei uns im Betrieb die Lehrlinge fördern und sie auf Wettbewerbe vorbereiten. Erst einmal muss ich aber mit der Meisterschule fertig sein. Ab dem neuen Jahr werde ich mich um die Auszubildenden kümmern. Dann fahre ich die Ware zu den Verkaufsstellen aus und werde jeden Tag in einer anderen Filiale bleiben, um dann gezielt mit dem jeweiligen Lehrling arbeiten. Im Moment haben wir fünf Azubis.
Welche beruflichen Vorstellungen und Ziele haben Sie?
Steffen: In den nächsten Jahren werde ich noch den Betriebswirt des Handwerks anhängen. Später möchte ich den elterlichen Betrieb übernehmen. Den möchte ich dann allerdings nicht vergrößern, sondern verbessern. Doch das wird noch dauern, mein Vater ist jetzt erst 50 Jahre alt.
Und wenn das nicht klappen sollte?
Steffen: Ich finde die USA gut. Obwohl ich noch nie dort war, würde ich vielleicht auswandern und mir dort etwas Eigenes aufbauen.
Was würde die aktuelle Bundessiegerin den Nachfolgern mit auf dem Weg geben?
Steffen: Ich würde ihm oder ihr sagen: Sieh dir die Bilder von den Arbeiten aus den vorangegangenen Meisterschaften ganz genau an und unterschätzte die anderen nicht. Denn das Niveau des Europawettbewerbs ist wirklich extrem hoch.